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klecks 1/2015

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In dieser Ausgabe liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Mehrsprachigkeit. Lesen Sie, auf welche verschiedenen Arten Kinder in unseren Lernwelten mit anderen Sprachen in Berührung kommen und mit welcher Freude und Begeisterung sie dabei sind. Unsere Erzieherinnen und Erzieher stellen uns ihre Muttersprachen vor und lassen sich beim „Sprachbad" und beim „Englisch spielen" über die Schulter schauen. In jedem klecks geben wir zudem Tipps aus unserer pädagogischen Arbeit weiter: Diesmal gibt die angehende Naturpädagogin und Erzieherin Mandy Großheim Tipps für Naturerlebnisse mit Kindern. Dazu kommen Spielzeug- und Buchempfehlungen, Wissenswertes für Berufstätige, Veranstaltungshinweise und vieles mehr.

Schwerpunkt

Schwerpunkt Mehrsprachigkeit A little bit of ToyTalk in my life, a little bit of English by my side... Von der förderlichen Wirkung fremder Sprachmelodien in dosierten Sequenzen Text: Gaby Hamm-Brink „Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?“. Nicht nur die Neuerscheinung von Andreas Hock aus dem Jahr 2014 beklagt den Niedergang der deutschen Sprache. In der Rubrik „Bildung“ der Süddeutschen Zeitung fand ich schon zur Jahrtausendwende einen Cartoon über den stetigen Sprachverfall. Er gipfelte in einem ähnlichen Zitat: „Das Einzigste, dass ich wirklich gut kann, ist Deutsch“, stand da zu lesen, darunter die Bildunterschrift „Student 2000“. Müssen wir uns also ernsthaft Sorgen machen, dass die sichere Beherrschung der deutschen Sprache verloren geht? Wenn augenscheinlich der Verfall der deutschen Sprache das kulturell-geistige Niveau nach unten treibt, und wenn selbst psychologische Beraterinnen und Berater in der virtuellen Kommunikation mit ihren Klienten Trostworte wie „Taschentuchreich“ per E- Mail oder Chat an erwachsene Menschen senden: Muss es dann wirklich sein, dass unsere Krippenkinder dank Frühförderung in ToyTalk und Early English (zu deutsch: Frühes Englisch) am Ende alles beherrschen außer dem „Einzigsten“, nämlich die deutsche Sprache? Nicht zwingend, möchte man antworten. Und erst recht nicht, wenn sich ohnehin in vielen Kitas ein bunter Mix aus Kindern unterschiedlichster Herkunftsländer tummelt. Gerade dann wäre es doch besonders wichtig, darauf zu achten, dass zumindest EINE Sprache von Anfang an vernünftig gelernt wird! Ohne zusätzlichen Schnickschnack, der nur verwirrt. Jüngste Erkenntnisse aus Hirn- und Entwicklungsforschung sprechen da eine ganz andere Sprache: Wir können gar nicht früh genug damit anfangen, unsere Kinder mit unterschiedlichen Sprachmelodien und Wortklängen spielerisch zu versorgen. Denn bereits im Mutterleib nehmen Kinder Geräusche und Klangmelodien wahr und können sich später auch an diese erinnern (siehe Info-Kasten). Schon wenige Tage nach der Geburt können Babys bereits verschiedene Sprachen voneinander unterscheiden, und ihr Sprachvermögen entwickelt sich wie ein Straßenverkehrsnetz: Je mehr Ausfahrten sich von der Autobahn weg verzweigen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wieder neue Wege aus eben diesen sich bahnen und miteinander verbinden. Es ist also offenbar ausgesprochen vorteilhaft, wenn Kinder – sogar schon vor ihrer Geburt – möglichst viel Sprache und Sprachmelodie hören. Denn dies scheint ihr Sprachzentrum dafür zu schulen, später besonders gut die feinsten Unterschiede in der Betonung oder im Klang von Wörtern zu erfassen. Und genau diese feine Wahrnehmung von Unterschieden erleichtert es später enorm, sprechen zu lernen. Spielerische Angebote wie ToyTalk und Early English sind also nicht etwa die Kopfgeburt einer überzogen ehrgeizigen Spezies von Erzieherinnen und Erziehern im Dienst anspruchsvoller Eltern, sondern ganz im Gegenteil ein wertvoller Beitrag zur Sensibilisierung, eine Art Türöffner, der die Voraussetzung für Bildung durch Erleben schafft. Die so verstandene „Bilingualität“ dient als Anker für Sinneserfahrungen und zur Unterscheidung von Klangmelodien in sicherem Kontext. Und es tut dem Sprechenlernen überhaupt keinen Abbruch, wenn Kinder – auch die ganz kleinen – in klar definierten Sequenzen verschiedene Sprachmelodien spielerisch mit allen Sinnen erfahren. Es ist kein Zufall, dass klassische, durchdeklinierte Sprachlernprogramme unsere Kinder oft nicht erreichen. Sprechen darf Spaß machen, aufregend und emotional sein, Experimentierfreude wecken – wie bei der Sendung mit der Maus, wo jedes Mal alle gespannt darauf warten, in welcher Sprache die Maus ihre Zuschauer begrüßt. Die Maus ist lustig, gescheit und macht neugierig, auch auf Sprache, genau wie ToyTalk und Early English. Ob dann später zu Hause Deutsch, Englisch oder Suaheli gesprochen wird, spielt dabei noch gar keine Rolle. Was Finnen wissen: Finnische Forscher haben herausgefunden: Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist sein Gehirn keineswegs ein „unbeschriebenes Blatt“. Stattdessen hat es bereits im Mutterleib Sinneseindrücke und Erfahrungen gesammelt. So gewöhnen sich die Ungeborenen an den Klang der Muttersprache, an bestimmte Melodien und die Stimme der Mutter, wie Studien zeigen. Erkennbar ist dies unter anderem daran, dass schon Neugeborene anders auf die typischen Sprachmelodien ihrer Muttersprache reagieren als auf die abweichenden einer fremden Sprache. „Selbst die noch unartikulierten Schreie eines Neugeborenen nach der Geburt lassen schon die typische Klangmelodie der Muttersprache erkennen“, erklären Eino Partanen von der Universität Helsinki und seine Kollegen. 22